Hate Speech: Was tun bei Hass im Internet?


Lesedauer: 6 Minuten

Ein Blogbeitrag zum Thema Hate Speech von Anke Richter und Holger Hagenlocher

 

Die Sozialen Medien haben unsere Welt verändert und bieten uns eine Fülle von Möglichkeiten zur Information und Kommunikation. Leider gibt es auch dunkle Seiten, die von Hass, Missbrauch und Aggression geprägt sind. Dazu gehören Auswüchse wie Hate Speech, Cybermobbing und Shitstorms. Diese Auswüchse können schwerwiegende Auswirkungen auf die Opfer als auch auf die Gesellschaft im Allgemeinen haben. Der Beitrag beschreibt, was Hate Speech ist und wie wir darauf reagieren können.

Der Begriff „Hate Speech“ beschreibt digitale Hassnachrichten und Menschenfeindlichkeit im Internet. Hate Speech wurde zum Schlagwort für ein Online-Phänomen, das schwerwiegende Ursachen und Folgen im Leben „offline“ hat.

 

Menschenfeindlichkeit im Internet

Menschen, die Hate Speech im Internet verbreiten, nutzen identitätsbezogene Diskriminierung, um Menschen einzuschüchtern. Sie bedienen sich gewalttätiger, sexistischer, rassistischer oder religionsfeindlicher Sprache, um die Betroffenen zu verängstigen und die eigene vermeintliche Macht oder Präsenz zu demonstrieren.

 

Jeder kann das Opfer sein

Grundsätzlich kann jeder Mensch Opfer von Hate Speech werden. Eine gewisse Präsenz auf sozialen Medien (eigene Präsenz oder Erwähnung in den Channels der Medien) ist jedoch Voraussetzung.
Neben Politiker*innen werden deshalb auch Schauspieler*innen, Influencer*innen oder Aktivist*innen Opfer von Hate Speech. Das gilt vor allem, wenn diese Personen diskriminierten Minderheiten angehören.

Sogenannte „Hater“, also Menschen, die Hasskommentare verbreiten, greifen oft auf Narrative des Rassismus oder Sexismus zurück: Frauen werden mit sexistischen Kommentaren eingeschüchtert und Menschen mit Migrationsgeschichte werden rassistisch beleidigt. Die politische Bedeutung von Hate Speech ist nicht zu ignorieren.

 

Hate Speech als Werkzeug

Hate Speech ist ein Werkzeug, das die Meinungsbildung und gesellschaftliche Diskussion beeinflussen oder unterdrücken soll. Bezeichnenderweise ist der Hass auf Individuen gerichtet, die an exponierter Stelle für eine Gruppe stehen, die Ziel des Hasses ist.

Sowohl die gesamtgesellschaftliche als auch die individuellen Folgen von Hate Speech können durchaus gefährlich werden und müssen entsprechen bewertet und strafrechtlich verfolgt werden.

 

Die rechtlichen Grundlagen

Hater, die mit ihren eigenen Hasskommentaren konfrontiert werden, versuchen oft, sich mit dem Argument „Meinungsfreiheit“ zu verteidigen. Allerdings sind die Grenzen der Meinungsfreiheit klar gesetzt:

 

Die Europäische Menschenrechtskonvention

Der Artikel 10 §1 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert die freie Meinungsäußerung, §2 knüpft diese jedoch an Bedingungen: Die Meinungsäußerung kann eingeschränkt werden, zum Beispiel „zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer“.

Eine weitere Grenze setzt Artikel 17 der Konvention. Dieser besagt, dass die Freiheiten und Rechte, nicht mit dem Ziel benutzt werden dürfen, diese abzuschaffen.
Anders formuliert: Die Meinungsfreiheit darf nicht dazu genutzt werden, anderen ihre Freiheiten und Rechte zu nehmen.

Der Europäische Gerichtshof kann über Artikel 10 §2 und Artikel 17 deshalb Hate Speech Einhalt gebieten. Doch auch die einzelnen Nationalstaaten haben Strategien entwickelt, um den Hass im Internet entgegenzuwirken.

 

Das Netzdurchsuchungsgesetz

In Deutschland ist seit Oktober 2017 das Netzwerkdurchsuchungsgesetz in Kraft. Das Gesetz soll es ermöglichen, digitale Inhalte strafrechtlich verfolgen und anzeigen zu können.

Einerseits werden gewinnorientierte Unternehmen sozialer Netzwerke dazu verpflichtet, Inhalte, die unter bestimmte Paragraphen des Strafgesetzbuches fallen, innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Andererseits müssen die Unternehmen die Identität der Täter*innen bekannt geben. Das ermöglicht es Betroffenen, gerichtlich gegen die Hater vorzugehen.

 

Der folgende Fall soll eine typische Anwendung des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes und den rechtlichen Umgang mit Hate Speech verdeutlichen:

 

Der Fall Künast

Im September 2016 behauptet Sven Liebich, der als rechtsextrem eingestuft wird, bei Facebook, dass die Grünen-Politikerin Renate Künast in einer Rede Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen gutgeheißen habe.
Dies zieht eine Welle an Hass gegen Künast in Form von Hate Speech auf sozialen Medien nach sich. Als Folge zeigt Künast Liebich an. Liebich wird nach einem längeren Gerichtsverfahren zu zehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 250 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

 

Das Problem mit der Meinungsfreiheit

Zum viel größeren Problem wird nun das Vorgehen gegen die Hasskommentare online. Erst drei Jahre später (2019) werden die Kommentare beurteilt und von Richter*innen in Berlin als von der Meinungsfreiheit gedeckt eingestuft.

Daraufhin legt Künast Beschwerde ein. Im Januar 2022 hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung aus Berlin auf und an das Kammergericht Berlin zurückverwiesen.
Dieses stuft im Oktober 2022 alle Kommentare als rechtswidrig ein.

Aufgrund des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes muss Facebook anschließend die Daten von zehn Menschen herausgeben, die jetzt strafrechtlich verfolgt werden können.

 

Der persönliche Umgang mit Hass

Die Konfrontation mit Hass hat oft schwere Folgen:
Die Betroffenen ziehen sich zurück, erleben depressive Episoden. Der Stress im Umgang mit Hate Speech erhöht die Vulnerabilität für psychische und somatische Erkrankungen.

Deswegen ist der erste Schritt:
Anerkennen, dass etwas Verletzendes passiert ist, gegen das man sich wehren kann. Das ist wichtig, um den Mut zu haben, sich Hilfe zu holen, sei es im Freundeskreis, der Familie oder eine externe Unterstützung.

 

Unterstützung im Umgang mit Hate Speech

Unterstützung im Umgang mit Hate Speech bieten beispielsweise HateAid oder hatefree..

Hate Aid

HateAid ist vor allem beratend tätig, hilft beim Anzeigen von Hasskommentaren. HateAid finanziert Prozesskosten,
ist aber keine juristische Beratungsstelle.

 

hatefree

Diese Funktion bietet hatefree, der einzige gerichtlich geprüfter Rechtsdienstleister Deutschlands im Bereich digitaler Gewalt. Hier werden die persönlichen Ansprüche auf Wiedergutmachung geprüft, das Angebot ist kostenlos.

Bild von jcomp auf Freepik Hate Speech, Hassrede, Hassnachrichten, Internet, Netz, Web, Social Media, Soziale Netzwerke, Kommunikation, Achtsamkeit, Selbstschutz, Hilfe

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Eigene Abwehrmöglichkeiten gegen Hate Speech

Abgesehen vom rechtlichen Vorgehen ist es natürlich auch möglich, sich persönlich mit dem Hasskommentar auseinanderzusetzen.

 

Empathische Reaktionen können helfen

Wissenschaftliche Untersuchungen haben deutlich gemacht, dass vor allem ein empathisches Antworten Hasskommentare verringern kann.
Beispielsweise: „Ich habe eine jüdische Kollegin. Die bekommt oft solche Hassnachrichten und das verletzt sie jedes Mal.“

Wichtig ist es, sich nicht in eine Diskussion zu verrennen, die nur Energie zieht und Stress bedeutet. Deshalb ist das Antworten auf Hasskommentare nicht immer der sinnvollste Weg.

 

Achtsamkeit im Umgang mit Hate Speech

Das Einnehmen einer achtsamen, selbstbeobachtenden Haltung kann helfen, einzuschätzen, welcher persönliche Umgang mit Hate Speech der Richtige ist.

Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Das Ziel sollte sein, das eigene Wohlbefinden zu schützen und nicht noch mehr Hass im Internet zu produzieren.

 

Hate Speech bewältigen und sich dagegen wappnen

In halb- und ganztägigen Workshops erklären wir, welche Möglichkeiten es gibt, sich gegen HateSpeech zu wehren.

Zudem wird insbesondere der persönliche Umgang mit Hassnachrichten trainiert. Neben Übungen zum Selbstschutz und zur Achtsamkeit werden Strategien entwickelt, kommunikativ empathisch zu reagieren. Die Workshops bieten zudem Raum, persönliche Erfahrungen auszutauschen.

Mehr Informationen zum Workshop „Hate Speech bewältigen finden Sie hier: Hate Speech – der Umgang mit Hassnachrichten

 

Anke Richter - Hate Speech

Anke Richter

Anke Richter studiert Psychologie an der Universität Konstanz. Mit
ihrer breiten Kenntnis von Methoden und Übungen zu Stressbewältigung, Achtsamkeit und den Folgen von Gewalt, Diskriminierung und makrosozialen Stressoren leistet sie einen wertvollen Beitrag zum Umgang mit Hate Speech und begleitet kompetent die Teilnehmenden bei den Hate Speech-Workshops.

E-Mail: a.richter@holger-hagenlocher.de

 

 

 

Holger Hagenlocher - Hate Speech

Holger Hagenlocher

 

 

Holger Hagenlocher bringt langjährige Erfahrung im Bereich der angewandten und strategischen Kommunikation mit. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich vertieft mit den Gefahren im Internet: Hate Speech, Shitstorms und Cybermobbing. Mit den Teilnehmenden der Workshops erarbeitet er praxisorientierte Lösungen für den kommunikativen Umgang mit den negativen Seiten der Onlinekommunikation.

In seiner Tätigkeit als Berater, Coach und Dozent, seinen zahlreichen Seminaren, Workshops und seiner Lehrtätigkeit an Hochschulen kennt er das Thema Kommunikation aus den verschiedensten Perspektiven.

E-Mail: h.hagenlocher@holger-hagenlocher.de